Leasing-Pioniere starteten stille Revolution in Deutschland
2022 feiert die Leasing-Wirtschaft ein Doppeljubiläum: 60 Jahre Leasing in Deutschland, 50 Jahre Bundesverband Deutscher Leasing-Unternehmen. Als sich 1962 die ersten Leasing-Gesellschaften in Deutschland gründeten, ahnten sie noch nicht, welche (stille) Revolution sie in Gang setzen würden. Heute ist Leasing aus dem Wirtschaftsalltag nicht mehr wegzudenken. Ob Technikerwagen oder Reisebus, Müllwagen eines Entsorgungsunternehmens, Gabelstapler, Lkw, Kopierer und Computeranlagen, Bau-, Druck- oder Werkzeugmaschinen, Zahnarztstuhl oder Röntgenapparate, Autowaschstraßen, Fitnessgeräte oder die Photovoltaikanlage auf der Produktionshalle – täglich sind ungezählte Leasing-Güter im Einsatz. Über die Hälfte aller nicht aus Eigenmitteln finanzierten Investitionen werden jedes Jahr mittels Leasing realisiert. Aktuell sind in Deutschland Wirtschaftsgüter im Wert von knapp 200 Milliarden Euro verleast.
Die Pioniere des Leasing hatten das Geschäftsmodell aus den USA importiert, wo Leasing in Form der Herstellermiete bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts erfolgreich genutzt wurde. Doch stießen diese damaligen Start-ups zunächst auf eine Reihe von Hürden. Die deutsche Rechtsordnung war nicht auf Leasing eingestellt. Die Experten stritten sich: Galt Mietrecht oder Kaufrecht? Oder beides? Ebenfalls nicht abgesteckt war der steuerliche Rahmen der neuen Investitionsform. Wer bilanzierte das Objekt?
Themen im Überblick:
„Wohlstand für alle“
Noch schwerer als der fehlende Ordnungsrahmen wog die Mentalität der Deutschen zu jener Zeit. 1962 war Ludwig Erhard im 14. Jahr Wirtschaftsminister, er gilt als Architekt des Wirtschaftswunders, das diese Zeit begleitete. Während es nach dem Krieg zunächst darum ging, satt zu werden, futterten sich in den 1950er-Jahren viele Deutsche „Wohlstandsbäuche" an. Gute Butter, echter Bohnenkaffee – üppiges Essen war gefragt. Die Wirtschaft brummte, es herrschte Vollbeschäftigung. Die Deutschen gerieten in einen Kaufrausch: Möbel, Autos, Reisen, Elektrogeräte. Ludwig Erhards Konzept vom „Wohlstand für alle" ging weitgehend auf.
Sicher gab es auch zu jener Zeit Kredite, aber der Grad der Verschuldung war ein Tabuthema. Über Geld spricht man nicht, man hat es – hieß es damals in Familien und Unternehmen. In diese Zeit hinein wurde ein Produkt platziert, das noch nicht einmal mit Zahlung seiner letzten Rate Eigentum versprach. So etwas konnte doch nur ein Unternehmen machen, das bei der Bank nicht einmal mehr einen Kredit bekam, munkelte man hinter vorgehaltener Hand. In der Tat genoss Leasing in den Anfangsjahren selbst in Finanzkreisen den zweifelhaften Ruf als „last resort borrowing“, als letzter Rettungsanker für kapitalschwache Firmen. Die heutige Überzeugung, dass die Nutzung eines Autos, einer Maschine oder eines Computers Werte schafft und nicht etwa das Eigentum daran, setzte sich erst langsam in den folgenden Jahren bis Jahrzehnten durch. Heute ist die Sharing Economy in aller Munde und gilt als Teil der Lösung für nachhaltiges Wirtschaften.
1970er waren die „Goldenen Jahre des Leasing“
In den 1960er-Jahren nutzten fast nur Großunternehmen und öffentliche Verwaltungen Leasing. Dies änderte sich, als Anfang der 1970er-Jahre EDV-Anlagen auch für mittelständische Betriebe erschwinglich wurden. Büromaschinen sowie EDV eroberten die Büros und wurden mittels Leasing angeschafft, sie machten rund zwei Drittel des Neugeschäfts der jungen Branche aus. Mitte der 1970er-Jahre sorgte der technische Fort-schritt in der Druckindustrie für weiteres Leasing-Wachstum. Die Umrüstung von Bleisatz auf Foto- und Lichtsatz erforderte enorme Investitionen, die die Druckereien über Leasing realisierten. Parallel klärten die Erlasse des Bundesfinanzministeriums aus den Jahren 1971 (Mobilien-Leasing-Erlass) und 1972 (Immobilien-Leasing-Erlass) die noch offenen Steuer- und Bilanzierungsfragen. Sie regelten die Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums von Leasing-Objekten und die bilanzielle Abbildung von Leasing-Verhältnissen in den Jahresabschlüssen von Leasing-Geber und Leasing-Nehmer – und haben bis heute Gültigkeit.
Die Entwicklung der Leasing-Erlasse begleitete maßgeblich eine Arbeitsgemeinschaft von 16 Leasing-Gesellschaften, die schließlich Ende des Jahres 1972 den ersten Deutschen Leasing-Verband gründeten. Neben der klassischen Interessenvertretung gehörte auch die Öffentlichkeitsarbeit von Beginn an zu den zentralen Aufgaben des jungen Verbandes. 1975 erfolgte die Umbenennung in BDL – Bundesverband Deutscher-Leasing-Gesellschaften, später in Leasing-Unternehmen.
In den 1970er-Jahren gelang dem Leasing der eigentliche Durchbruch, die Anlagenvermietung expandierte mit einem rasanten Tempo. Neben dem Mobilien-Leasing hat sich in den 1970er bis Mitte der 1980er-Jahre das Immobilien-Leasing zügig verbreitet. Geleast wurden Büro- und Handelsgebäude, Produktions- und Lagerhallen, aber zum Beispiel auch Kraftwerke und Kläranlagen. Nutzten anfangs zunächst Unternehmen Leasing für ihre Gewerbeimmobilien, so griffen in den 1980er-Jahren auch Städte und Gemeinden für ihre Bauvorhaben zu Immobilien-Leasing. Zudem entdeckten in dieser Zeit die Banken das Produkt Leasing und gründeten Leasing-Tochterfirmen.
Das Leasing-Neugeschäft stieg in den 1970er-Jahren um 800 Prozent, während das Bruttosozialprodukt „nur“ um 100 Prozent wuchs. Rückblickend gelten die 1970er-Jahre daher als die „Goldenen Jahre des Leasing“. Den Schwung aus dieser Zeit hat das Leasing seither nicht mehr verloren.
1980er-Jahre: Siegeszug des Autoleasing
In den 1980er-Jahren gründeten Fahrzeughersteller verstärkt Leasing-Gesellschaften. Ihre Zahl erhöhte sich um gut ein Drittel – eine Steigerung, wie sie seit Branchengründung nicht mehr registriert werden konnte. Aufgrund intensiver Marketingaktivitäten lösten die Hersteller einen wahren Boom im Privatleasing aus. Der Anteil der Privatkunden am Leasing-Neugeschäft in Deutschland stieg in einem Jahr von drei auf über zehn Prozent, wo er auch aktuell noch liegt. „Pferd gekauft, Auto geleast“, lautete der clevere Werbeslogan einer deutschen Automarke, der signalisierte, dass Leasing gerade für Leute mit Geld wie geschaffen ist. Das machte Leasing vollends gesellschaftsfähig.
Bis heute entfallen drei Viertel des Leasing-Neugeschäfts in Deutschland auf den Fahrzeugsektor. Zwei von fünf neu zugelassenen Fahrzeugen, etwa 40 Prozent, werden mittels Leasing angeschafft.
Durchbruch bei KMU mit Büromaschinen
In den 1980er-Jahren legten auch Big Tickets – das Leasing von Flugzeugen, Schiffen oder Eisenbahnen – kräftig zu. Den Durchbruch bei den kleinen und mittleren Unternehmen, und damit eine beträchtliche Erhöhung des Marktanteils, schaffte die Leasing-Branche ebenfalls in diesem Jahrzehnt, als der PC seine Blütezeit erlebte sowie andere relativ niedrigpreisige Büromaschinen die Märkte eroberten.
In diesen Jahren veränderte sich auch die Kundenstruktur der Leasing-Wirtschaft. Die bisherige starke Abhängigkeit der Leasing-Gesellschaften vom Verarbeitenden Gewerbe, dem Handel und der Energiewirtschaft verringerte sich. Dafür gewannen der Dienstleistungssektor, die privaten Haushalte, der Sektor Verkehr- und Nachrichtenübermittlung erheblich an Bedeutung. Das Portfolio der Leasing-Branche ist seither sowohl auf der Kunden- als auch auf der Produktseite breit gefächert.
Bedeutender Beitrag zum „Aufbau Ost"
Als Investitionsmotor in der Bundesrepublik etabliert und anerkannt, trug die Branche nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1989 auch ihren Teil zum Aufbau der neuen Bundesländer bei. Die Leasing-Gesellschaften erkannten nach der politischen Wende in der ehemaligen DDR sehr schnell, dass ihre Investitions- und Finanzierungsalternative ein geradezu ideales Instrument für die Wirtschaft in Ostdeutschland ist. Von 1990 bis 1996 realisierten die Leasing-Gesellschaften in den neuen Bundesländern Investitionen in Anlagen im Wert von 42 Milliarden DM.
Leasing im neuen Jahrtausend
In der ersten Dekade des neuen Jahrtausends machte sich die allgemeine Investitionsschwäche auch bei den Leasing-Gesellschaften bemerkbar. Zwar erzielten die Leasing-Investitionen 2004 bis 2008 einen überdurchschnittlichen Zuwachs, 2006 überschritten sie sogar die 50 Milliarden Euro-Rekordmarke, doch drei Jahre später befand sich die Leasing-Branche im Griff der schwersten Rezession der Nachkriegsgeschichte: 2009 brach das Neugeschäft um 22 Prozent ein. Danach erholte es sich zunächst moderat; seit 2014 schrieb die Branche wieder Rekordzahlen. Im Corona-Jahr 2020 ging das Neugeschäft um rund 9,5 Prozent zurück, stieg im Folgejahr aber wieder an.
Leasing unter der Finanzmarktaufsicht
Ende 2008 und damit zeitgleich zur schwierigen Marktsituation in Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise wurden die Leasing-Gesellschaften in Deutschland der Finanzmarktaufsicht unterstellt. Dies nicht, weil die Branche zu den Auslösern der Krise gehörte – vielmehr waren die Leasing-Gesellschaften Leidtragende –, sondern als politisches Junktim für die gewerbesteuerliche Gleichbehandlung des Leasing mit dem Kredit. Die Einstufung der Leasing-Gesellschaften im Kreditwesengesetz (KWG) als Finanzdienstleistungsinstitute und die Unterstellung einer leicht eingeschränkten Finanzmarktaufsicht stellte einen tiefen Einschnitt in der Branchengeschichte dar und löste einen Konsolidierungsprozess in Deutschland aus, der sich zwar inzwischen verlangsamt hat, aber noch nicht ganz abgeschlossen ist.
Die Ursachen für die Schwierigkeiten mit den Anforderungen der Aufsicht liegen in der besonderen, mittelständischen Struktur der Leasing-Branche in Deutschland begründet. Das Leitbild der Regulierung orientiert sich am Geschäftsmodell international agierender Banken. Mittelständische Leasing-Unternehmen sind jedoch keine Banken, sondern ein Bindeglied zwischen Finanz- und Realwirtschaft. Zudem hat das Geschäftsmodell Leasing ein geringes Risikoprofil. Der BDL setzt sich daher bei Politik und Verwaltung für eine Regulierung „mit Augenmaß“ ein, die die Besonderheiten der Branche und des Leasing-Geschäfts mit Proportionalität und mehr Differenzierung angemessen berücksichtigt.
Leasing als Treiber der Transformation – Nutzen statt Eigentum
Hören Sie eine Podcast-Folge mit Dr. Claudia Conen aus der Handelsblatt-Reihe „So klingt Wirtschaft“.
Optimistischer Blick in die Zukunft
Die Bilanz nach fast 60 Jahren Leasing in Deutschland kann sich sehen lassen: Das Produkt Leasing hat sich in der deutschen Wirtschaft nachhaltig etabliert. Es gibt nahezu kein Investitionsgut, das nicht geleast werden kann – und nicht geleast wird. Aktuell sind Wirtschaftsgüter im Wert von über 200 Milliarden Euro verleast. Unternehmen aller Größenklassen und quer durch alle Wirtschaftszweige realisieren eine Vielzahl ihrer Investitionen über Leasing. Der Löwenanteil der Kunden stammt dabei aus dem Mittelstand und schätzt die Beratung auf Augenhöhe – vom Mittelstand für den Mittelstand. Zudem hat sich die Leasing-Wirtschaft gerade in vergangenen Krisenzeiten als verlässlicher Partner bewiesen.
Transformationsfinanzierer
Die Geschichte des Leasing in Deutschland zeigt, dass die Leasing-Branche stets die Verbreitung von Innovationen ermöglicht hat. Leasing unterstützt nicht nur den Wandel, Leasing ist ein Investitions- und Innovationsmotor der deutschen Wirtschaft und ist mit seiner Objekt- und Branchen-Expertise prädestiniert, einen Großteil der anstehenden Investitionen in innovative „grüne“ Technologien für seine Kunden zu realisieren. Die Leasing-Branche ist daher ein entscheidender Faktor bei der erfolgreichen Transformation der Wirtschaft.