Schwerpunkte der Verbandsarbeit

Im Gespräch mit Präsident Kai Ostermann und Hauptgeschäftsführerin Dr. Claudia Conen

Präsident Kai Ostermann und Hauptgeschäftsführerin Dr. Claudia Conen sprechen über die Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf die deutsche Wirtschaft und diskutieren mit Blick in die Zukunft die Bedeutung von Leasing für die erfolgreiche Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft. Das Gespräch führte die Redaktion des Jahresberichts im Juni 2022.

Das Jahr 2022 startete zunächst vielversprechend: Lockerungen der Pandemie-Einschränkungen standen in Aussicht, volle Auftragsbücher der Industrieunternehmen und verbesserte Investitionsperspektiven in vielen Branchen ließen Nachholeffekte und die Realisierung überfälliger Investitionen erwarten. Mit Beginn des Ukraine-Krieges und den verschärften Sanktionen gegen Russland stieg die Unsicherheit in der Wirtschaft, die Investitionsstimmung trübte sich ein. Welche direkten und mittelbaren Auswirkungen spürte die Leasing-Wirtschaft?

Kai Ostermann: Die unmittelbare, direkte Betroffenheit der deutschen Leasing-Branche ist gering, denn Leasing-Gesellschaften sind spätestens seit den Sanktionen 2014 anlässlich der Annexion der Krim nur mit einem sehr überschaubaren Neugeschäft in Russland aktiv. Mittelbar spürt die Leasing-Wirtschaft die Folgen der europäischen Sanktionen. Steigende Energie- und Rohstoffpreise, die hohe Inflation und die Zinswende belasten die gesamte Wirtschaft. Lieferengpässe haben sich verschärft. Die hohen Energiekosten treffen das Herz der deutschen Wirtschaft, die Industrie – anders als die Pandemiemaßnamen, die vor allem ausgewählte Branchen beeinflussten. Hinzu kommt die generelle Verunsicherung der Unternehmenslenker, das Investitionsklima trübt sich ein. Insoweit ist zu erwarten, dass Ausrüstungsinvestitionen auf Eis gelegt oder verschoben werden. Und das wirkt sich dann auch auf das Leasing-Neugeschäft aus.

Also kein guter Ausblick auf die nächsten Monate?

Ostermann: Natürlich gibt es hier Unsicherheit. Jede Medaille hat zwei Seiten. Voraussichtlich wird das Neugeschäft nicht in der Höhe wachsen, wie wir uns das mit dem Ende der Pandemiemaßnahmen erhofft hatten. Auf der anderen Seite können Liquiditätsengpässe der Kunden wie schon im Corona-Jahr 2020 zu einer überdurchschnittlichen Nutzung von Leasing führen. Wenn Unternehmen überhaupt investieren, nutzen sie verstärkt Leasing, sodass in Folge die Leasing-Quote steigt. Wohin diese Entwicklungen langfristig führen, ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht sicher. Es spricht viel dafür, dass wir tatsächlich die viel besagte Zeitenwende erleben, die zumindest für die nächsten Jahre einiges an Herausforderungen, Unsicherheiten und auch Wohlstandsverluste mit sich bringen dürfte. Die Wirtschaft wird sich den neuen Realitäten stellen müssen.

Ende November 2021 stellten SPD, Grüne und FDP unter der Überschrift „Mehr Fortschritt wagen" ihren Koalitionsvertrag vor und kündigen ein Jahrzehnt der Zukunftsinvestitionen an, um die Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft zu realisieren. Sehen Sie die Investitionsziele der Bundesregierung in Gefahr?

Ostermann: Der Ukraine-Krieg und seine Folgen haben die Investitionsziele der Bundesregierung beeinflusst. Die Umsetzung der Energiewende wird dringlicher, auch um unabhängig vom russischen Gas und Öl zu werden. Dies verstärkt die Notwendigkeit der Transformation, vor allem durch strukturelle Anpassungen bei der Energieversorgung, den Energiequellen, aber auch der nachhaltigen Energieverwendung. Im Fokus stehen der Ausbau erneuerbarer Energieanlagen, aber auch die Ressourcenschonung durch die Intensivierung der Kreislaufwirtschaft, die Sharing Economy und neue Mobilitätskonzepte. 

Welchen Beitrag kann die Leasing-Branche hierfür leisten?

Dr. Claudia Conen: Leasing ist ein entscheidender Faktor für die erfolgreiche Transformation. Bereits seit vielen Jahren realisieren Leasing-Gesellschaften für ihre Kunden Investitionen in Photovoltaik- oder Biogas-Anlagen, Windparks, energieeffiziente Produktionsmaschinen, Umwelttechnik, innovative Technologien sowie Elektrofahrzeuge oder E-Bikes. Allein im vergangenen Jahr haben wir für über eine Milliarde Euro Leasing-Fahrräder finanziert. Und in diesem Jahresbericht findet man weitere aktuelle Beispiele, wie Leasing-Gesellschaften ihre Kunden unterstützen.

Ostermann: Die Leasing-Wirtschaft ist seit jeher Mitgestalter der Zukunft. In der 60-jährigen Geschichte der Branche in Deutschland, die wir dieses Jahr feiern, finden sich zahlreiche Beispiele, wie Leasing die Einführung von neuen Technologien in die Märkte ermöglicht und für ihre Verbreitung gesorgt hat. Exemplarisch nenne ich die IBM-Großcomputer in den 1960er-Jahren, die Umstellung von Bleisatz auf Fotodruck in der Druckindustrie in den 1970ern oder die Re-Industrialisierung in den neuen Bundesländern nach der Wiedervereinigung. Über die Finanzierung der Investitionen hinaus werden Leasing-Gesellschaften künftig ihre mittelständischen Kunden verstärkt in puncto Nachhaltigkeit und Förderprogramme beraten und anleiten.

Wie beurteilen Sie die Wirkung von öffentlichen Förderprogrammen? Was könnte verbessert werden?

Dr. Conen: Öffentliche Förderprogramme können den Markthochlauf von „grünen“ Investitionen unterstützen. Jedoch müssen staatliche Förderprogramme und private Investitionstätigkeiten praxistauglich aufeinander abgestimmt werden. Wir erleben häufig, dass die Förderpolitik bei der Konzeption der Förderprogramme davon ausgeht, dass Investition und Nutzung identisch sind. Investor und Nutzer können sich aber, wie Leasing zeigt, unterscheiden – und das Förderziel kann dennoch erreicht werden. Für die Mehrzahl der Unternehmen steht angesichts vieler technisch immer komplexer, digitaler und teurer werdender Objekte die Nutzung eines Wirtschaftsgutes über einen bestimmten, planbaren Zeitraum im Vordergrund, nicht der Erwerb des Eigentums.

Wie erfolgreich Leasing und Förderpolitik zusammenwirken können, zeigt nicht zuletzt das Beispiel der Innovationsprämie bei Elektroautos. Der Leasing-Anteil an allen neu zugelassenen Elektroautos lag 2021 bei 44 Prozent, bei den gewerblichen Haltern ist die Quote noch höher. Damit die Leasing-Branche ihre Kunden weiterhin unterstützen kann, muss Leasing bei neuen Förderprogrammen ganz selbstverständlich mitgedacht werden.

Stichwort Neufahrzeuge: Der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe berichtet, dass sich Elektrofahrzeuge mit einer Förderzusage für den Umweltbonus in diesem Jahr kaum verkaufen lassen. Spürt das die Leasing-Wirtschaft?

Dr. Conen: Auch die Leasing-Gesellschaften benötigen Planungssicherheit für sich und ihre Kunden. Das Förderprogramm für Elektroautos läuft Ende des Jahres 2022 aus. Wer ein Elektrofahrzeug bestellt, muss für den Förderantrag beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle das Auto noch in diesem Jahr zulassen. Das ist praktisch seit Jahreswechsel angesichts der Lieferzeiten von 10 bis 14 Monaten nahezu unmöglich. Der BDL fordert daher bereits seit Monaten, die Antragsbedingungen anzupassen, z. B. in Form einer Reservierung. Statt der Anmeldung des Fahrzeuges soll das Bestelldatum als ausschlaggebendes Kriterium dienen.

Abschließend noch ein Blick in die Zukunft: Welche Themen werden den Mittelstand und die Leasing-Branche in Zukunft beschäftigen?

Ostermann: Ganz klar sind neben der Digitalisierung Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft und Klimaschutz die beherrschenden Zukunftsthemen. Leasing-Gesellschaften beschäftigen sich bereits intensiv mit der Implementierung von Nachhaltigkeitsaspekten im eigenen Unternehmen, einerseits weil es die Regulatorik verlangt, andererseits weil Nachhaltigkeitsaspekte für unsere Kunden zu einem relevanten Kriterium bei der Auswahl ihrer Geschäftspartner werden. Auch die refinanzierenden Banken benötigen mehr und mehr Daten und Fakten zur Nachhaltigkeit, um ihrerseits die Nachweise dem Regulator oder Investor vorlegen zu können.

Dr. Conen: Nachhaltigkeit steht natürlich auch im Fokus unserer Verbandsarbeit. Um unsere Mitglieder zu unterstützen, hat der BDL in diesem Jahr einen Leitfaden für eine Wesentlichkeitsanalyse entwickelt. Mit diesem Tool kann jede Leasing-Gesellschaft das Querschnittsthema Nachhaltigkeit in der Breite erfassen und die wesentlichen strategischen Handlungsfelder für sich ableiten. Zudem stellen wir als Verband für die Kunden, die Politik, die Medien, die Öffentlichkeit etc. die Bedeutung der Leasing-Wirtschaft für die Realisierung der notwendigen Investitionen in „grüne“ Technologien und die Schlüsselrolle von Leasing für die Kreislaufwirtschaft dar.

Welche Hürden sehen Sie für die Branche?

Ostermann: Nach wie vor behindert uns überbordende Bürokratie und unangemessener Regulierungsdruck. Wir befinden uns weiterhin im Fahrwasser der europäischen Bankenaufsicht. Deren Standards sind auf Großbanken ausgerichtet und berücksichtigen die Unterschiede in den Geschäftsmodellen zwischen Leasing-Unternehmen und Banken nicht angemessen. Leasing-Gesellschaften dürfen aber nicht mit Banken-Maßstäben gemessen werden, denn sie sind weniger komplex und tragen ein deutlich geringeres Risiko. Der BDL setzt sich daher für Proportionalität und mehr Differenzierung ein und pflegt einen konstruktiven Austausch mit der deutschen Aufsicht.

Dr. Conen: Die enormen Herausforderungen der Transformation sind nur im Schulterschluss von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft zu bewältigen. Der BDL begleitet als Stimme der Leasing-Wirtschaft seit 50 Jahren die Branche und setzt sich dafür ein, dass ihre mittelständische Struktur nicht gefährdet wird, damit die Leasing-Wirtschaft die Transformationsprozesse ihrer Kunden weiterhin erfolgreich unterstützen kann.

Der BDL begleitet seit 50 Jahren die Leasing-Wirtschaft als ihre Stimme und gestaltet die Rahmenbedingungen für Leasing-Gesellschaften und ihre Kunden mit. Neben der Interessenvertretung der Branche bietet der Verband auch umfangreichen Service für seine – vor allem mittelständischen – Mitgliedsgesellschaften an.